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Die Familienkiste von Stürler

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Die „Familienkiste“ Stürler wurde 1735 gegründet und später in eine Stiftung umgewandelt. 2024 erhielt die Zunft die Eisenkiste von Nachkommen der Familie Stürler aus der Familie von Graffenried geschenkt.

Die Geschichte der bernburgerlichen Familie Stürler lässt sich bis ins 15. Jahrhundert zurückverfolgen, als 1472 der Stammvater Johann Stürler (?-1530) als Mitglied des Grossen Rats erwähnt wird. Um 1600 teilte sich die Familie in sieben Linien, infolgedessen das Geschlecht im 17. und 18. Jahrhundert zu den zahlenmässig grössten Familien des Berner Patriziats heranwuchs. Die Familie Stürler hatte das Gesellschaftsrecht zu Obergerbern und – wegen eines auf das 18. Jahrhundert zurückgehenden unehelichen Zweigs – auch zum Affen. Die letzte Angehörige dieses Familienzweiges ist 2022 verstorben und damit ist dieses Geschlecht in der Zunftgesellschaft zu Affen nicht mehr vertreten.

Die bernischen Familienkisten sind ein faszinierendes Beispiel für historische Vermögensverwaltungsstrukturen, die soziale und wirtschaftliche Stabilität innerhalb aristokratischer Familien gewährleisten sollten. Besonders ab dem 17. Jahrhundert wurden in Bern (und bernischen Städten) von den patrizischen Geschlechtern diese sogenannten „Familienkisten“ gegründet.

Von «Familienkisten» spricht man, weil Bargeld, Wertpapiere und weitere wichtige Dokumente in Eisenkisten aufbewahrt wurden. Der Begriff meint aber eigentlich eine Körperschaft, bestehend aus Familienmitgliedern, die ein gemeinsames Kapital verwalten. Familienkisten waren das, was man heute eine Familienstiftung nennen würde.

Zugehörig zu einer Familienkiste wurde man entweder mit der Geburt oder durch einen Einkauf in eine bestehende Familienkiste. Das Vermögen von «Kisten» wurde geäufnet aus Einkäufen, Zuwendungen aus Erbschaften, Legaten und Mandatsabgaben aus ausländischen Diensten. Bei den Geldanlagen wurde auf gute Sicherheit geschaut. Lange war es zulässig, Grundstücke auf den Namen von Familienkisten zu kaufen. Auch Frauen brachten Vermögen in Familienkisten ein, oft zu Gunsten ihrer angestammten Familie. Sie waren jedoch nur ausnahmsweise unterstützungsberechtigt und Anteilhaber waren sie nie.

Familienkisten dienten dazu, den sozialen und finanziellen Status bestimmter Familien zu erhalten. Sie sollten sicherstellen, dass Familienmitglieder standesgemäss erzogen werden konnten, nicht auf öffentliche Wohltätigkeit angewiesen waren und ihren Stand bewahren konnten.

Familienkisten waren das, was man heute eine Familienstiftung nennen würde.

Im Jahr 1740 verfügte die Republik Bern eine «Kistenordnung», die eine Vermögensobergrenze und ein Verbot von Immobilienbesitz beinhaltete. Damit sollte ein kapitalrechtliches Gleichgewicht unter den Patrizierfamilien gewahrt werden.

Im Jahr 1837 beschloss der Regierungsrat des Kantons Bern, dass die Kisten als Körperschaften nicht weiterbestehen sollten, da sie nicht mehr mit den Prinzipien der Freiheit und Gleichheit vereinbar waren. Das Gesetz von 1837 verfügte, dass Kisten mit einem Vermögen über 200’000 Bern-Pfund beschlagnahmt werden sollten, um die Machtkonzentration zu brechen und die soziale Gerechtigkeit zu fördern. Viele Familienkisten wurden danach aufgelöst.

Familienkisten, oder Familienstiftungen, bestehen teilweise heute noch und wirken im Sinne der Überlieferung weiter.